Mittwoch, 21. Januar 2009
Dorfkinder in der Großstadt
Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin…

Kurz entschlossen, in einer Spontanaktion entschieden, machen wir uns auf den Weg in die Hauptstadt. Zwei Kleinstadtgören entdecken „die große, weite Welt“. Natürlich ohne Navi und Atlas, denn selbst ist die Frau und wir kriegen das auch so hin. Wir wissen schließlich wo wir hin wollen. Auf geht’s. Unsere Kleinstadt verlassend, auf der Autobahn, mit festem Ziel vor Augen… Berlin wir kommen. Wir passieren das Ortseingangsschild und die Nervosität steigt, denn auskennen wir uns überhaupt nicht. Wir fahren erstmal… So schwer kann es ja nicht sein den Ku’damm zu finden. Eine halbe Stunde später und huch was ist denn das? Der Ku’damm… Wir biegen um eine Ecke und da liegt er vor uns… Erstrahlt in einem Glanz aus Lichtern der Weihnachtsbeleuchtung, Reklametafeln und Autoscheinwerfern. Im ersten Moment verschlägt es uns regelrecht die Sprache. Es ist fast taghell. Wir suchen uns in irgendeiner der vielen Parkhäuser einen Platz für unseren treuen Gefährten. Als wir das Parkhaus in einer Nebenstraße verlassen, kommen wir an einem Geschäft vorbei, vor dem wir, doch ziemlich entsetzt, stehen bleiben. Auf dem Schaufenster prangt ein riesen Schriftzug mit den Worten „BOTOX TO GO“! Oh man, wie nötig müssen es manche Menschen haben, dass ein Geschäft mit so einem Wortlaut groß und breit Werbung machen kann. Einfach nur krank. Ok, weiter im Text. Wir schlendern durch die hell erleuchteten Straßen, über den Weihnachtsmarkt. Die Straßen sind voller Menschen, es herrscht reges Treiben und wir sind völlig fasziniert. Wir werden stellenweise rabiat durch die Gegend geschubst, auf der anderen Seite aber auch von wildfremden Menschen angesprochen und sie unterhalten sich mit uns. Einfach nur so. Berlin! Egoistisch, stolz, anonym und doch so offen. Es denkt keiner darüber nach was andere von ihm denken könnten, es ist einfach so. Die Menschen leben einfach. Jeder für sich und doch in einer großen Gemeinschaft. Nachdem wir 2 Stunden dieses Spektakel auf uns haben wirken lassen, machen wir uns an unsere Abend-/Nachtgestaltung. Auf unserem Plan steht ein Club. 4 Floors, aber überschaubar. Die Türsteher haben wir von Anfang an auf unserer Seite, was sich irgendwann auch als Vorteil erweisen soll. 2 Mädchen, allein in einer Berliner Disse=Frischfleisch auf dem Serviertablett. Es dauert nicht mal 10 Minuten bis der Erste mich vollquatscht. Das witzige an der Sache ist, es nutzen alle das gleiche Schema. Das heißt es gibt 4 Fragen (Willst Du mit mir tanzen?, Wie heißt Du?, Wo kommst Du her?, Bist Du vergeben?) die immer mit der eigentlichen Frage (Willst Du mit mir nach Hause gehen?) assoziiert werden. Es gab wirklich hartnäckige Zeitgenossen, die sich teilweise 4 Mal eine Abfuhr eingefangen haben und es trotzdem nicht lassen konnten. Aber viel schlimmer war die Aufdringlichkeit mancher Typen. Es gab welche, die sich ihrer so sicher waren, dass sie es für sich als selbstverständlich empfanden, einen einfach überall anzutatschen und dies auch nach mehrfacher Aufforderung nicht unterließen. Da musste erst eine richtige Ansage kommen, bevor sie damit aufhörten. Erschreckend, aber auch das spiegelt Berlin wieder, selbstherrlich und völlig von sich überzeugt. Es folgen nach dem Aufenthalt in dieser Location, 3 Stunden bitter nötiger Schlaf. In irgendeiner Berliner Wohnung, die so wunderbar berlinerisch ist. Relativ groß, ziemlich alt, dafür aber neuer Technikkram und so herrlich chaotisch. Es herrscht leichte, aber überschaubare Unordnung. Nach einem Senseo-Kaffee geht’s wieder auf ins Berliner Gewühl. Shoppen im Alexa. Shoppen an sich ist schon ein Qual, aber dann auch noch mit einem Mädchen an meiner Seite, die einkaufen über alles liebt und hunderten von Menschen die anscheinend ebenso drauf sind, wird es ein regelrechter Kampf. Die Schlangen an den Kassen winden sich teilweise quer durch die Geschäfte und man steht eine halbe Stunde an, nur um 1 Buch zu bezahlen. Grausam. Die Menschen schieben und drängeln, es ist eine wahre Freude. Verdammt, ich will hier weg! Nach 5 Stunden Terror ist meine Grenze erreicht und kann meine Begleitung davon überzeugen, endlich zu gehen. Nachdem wir uns noch eine halbe Stunde durch die Tiefgarage nach draußen gequält haben, erreichen wir Tageslicht. Welt, Du hast uns wieder. Auf dem Heimweg lasse ich das erlebte der letzten 24 Stunden noch einmal Revue passieren und es ist wie ein Flash. Völlige Reizüberflutung, mein Kopf ist voll, fühlt sich an als wenn er gleich platzt. Ich schließe die Augen und tausende Eindrücke und Bilder sausen durch mein Gehirn. Aber… Trotz aufdringlicher männlicher Kundschaft im Club, der Wahnsinn im Alexa…
Berlin, wir waren da, haben Deine egoistische, stolze, anonyme, selbstherrliche, von Dir überzeugte und doch so wunderbar chaotische, offene und herzliche Art genossen und in uns aufgesogen!

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